Customer Journey – Die richtige Botschaft zum richtigen Zeitpunkt

Betreiben Sie, wenn Sie als Privatperson z. B. Geschirrspülmittel oder Toilettenpapier kaufen oder ihr Auto betanken wollen so etwas, das man im weitesten Sinne als Marktforschung bezeichnen kann? Informieren Sie sich bei einem derartigen Produkt detailliert darüber, welche Eigenschaften es hat, wie es sich zusammensetzt, was für ein Unternehmen dahintersteckt, ob es Testurteile oder Kundenbewertungen, Garantieleistungen o.ä. dazu gibt? Vergleichen Sie es mit Wettbewerbsprodukten? Wahrscheinlich nicht. Denn hier handelt es sich um sogenannte Low-Involvement-Produkte; also im Wesentlichen mehr oder weniger austauschbare Waren, die keinen außerordentlichen Kapitaleinsatz erfordern und die routinemäßig bzw. spontan gekauft werden – und die sie obendrein emotional wenig bis gar nicht berühren. Eine aktive Informationsbeschaffung findet in der Regel nicht statt, sondern vorrangig sind es hier vielmehr der Preis, der aktuelle Bedarf oder pompöse Produkt-Präsentation (etwa als Zweitplatzierung im Rahmen der Kontaktstrecke im Einzelhandel), die maßgeblich für den Kaufentscheid sind.

Aber wie sieht es aus, wenn Sie sich ein neues Auto, ein Haus, neue Möbel, ein neues Smartphone anschaffen oder eine Urlaubsreise buchen wollen? In diesen Fällen stehen die Dinge anders. Die Entscheidungsfindung nimmt hier deutlich mehr Zeit in Anspruch und ist wesentlich komplexer. Angebote und Produkteigenschaften werden intensiv miteinander verglichen. Sie recherchieren, lesen Kundenbewertungen – und, neben rein rationalen Aspekten, spielen auch geschmäcklerische Gründe, Lifestyle, das Produkt-Image und subjektive Vorlieben eine nicht zu unterschätzende Rolle. Kein Wunder, denn dies sind sogenannte High-Involvement-Produkte, bei denen Käufer vor dem Kauf in die Informationsbeschaffung viel Zeit, Energie, Konzentration und Aufmerksamkeit investieren. Weil sie teuer sind und ein Fehlkauf negative, langfristige Folgen hat.

Bei High-Involvement-Produkten durchläuft der Kunde folglich unterschiedliche Phasen vom Erstkontakt bis zum Kauf – und sogar darüber hinaus –, in welchen er unterschiedliche Informationsbedarfe hat und unterschiedlich agiert. Diese Phasen können, je nach Produkt, sehr unterschiedlich sein und sich über Tage oder gar Monate hinziehen. Dieser Durchlauf durch verschiedene Phasen im Kaufprozess wird als Customer Journey bezeichnet, bei der der Kunde immer wieder Kontakt zum Produkt bzw. zum Unternehmen hat. Diese Kontaktpunkte werden als Touchpoints bezeichnet: Sie können sich über diverse Kommunikationskanäle und Kommunikationsmittel erstrecken – z. B. von der Print-Anzeige in einer Publikumszeitschrift, zum Online-Shop im Internet, von dort aus zu Online-Testurteilen und Kundenbewertungen im Social-Media-Bereich, zu Hörfunk-Werbespots bis zur Empfehlung durch Freunde oder Bekannte, den Kauf im stationären Handel oder online und E-Mails des Unternehmens als After-Sales-Service. Es liegt auf der Hand, dass ein Unternehmen beim Abverkauf von High-Involvement-Produkte erfolgreicher ist, wenn es um die unterschiedlichen Phasen seiner ganz bestimmten Zielgruppe sowie die Informationsbedürfnisse in den jeweiligen Phasen weiß, um den Kunden mit entsprechenden, zu diesem Zeitpunkt für ihn relevanten Botschaften zu versorgen.

Grundsätzlich können folgende Phasen der Customer Journey unterschieden werden:

Pre-Awareness:
Es gibt (noch) kein konkretes Kaufinteresse – sei es, weil z. B. seitens des Kunden das Problem, welches das Produkt löst, noch nicht bewusst erkannt wurde oder der Kunde das Produkt noch nicht kennt. Im Rahmen der Customer Journey muss bei potenziellen Kunden durch entsprechende Infos Aufmerksamkeit für das Produkt geweckt und die Problemstellung sowie die Problemlösung durch das Produkt plakativ bewusst gemacht werden. An dieser Stelle sind noch keine vertiefenden Informationen erforderlich. Es geht darum, das Problembewusstsein des potenziellen Kunden zu schärfen und ihn in die nächsten Phasen der Customer Journey zu überführen.

Bedürfniserkennung:
Dem potenziellen Kunden wird das Problem / Defizit bewusst – es entsteht das Bedürfnis, das identifizierte Problem zu lösen. Der Kunde benötigt nun Orientierung, es sollte ein Bewusstsein für die Marke geschaffen werden, mit dem Ziel, ins Relevant Set des Kunden zu gelangen. Das Relevant Set ist eine mentale Shopping-Liste, also eine begrenzte Auswahl an Marken, die der Kunde beim Fällen seiner Kaufentscheidung in Betracht zieht. Produkte / Marken, die nicht im Relevant Set verankert sind, haben es schwerer im Verlauf des Kaufentscheidungsprozesses noch Berücksichtigung zu finden. Die Marken / Produkte im Relevant Set sind hierarchisch geordnet, d. h. es gibt bereits eine fragile Präferenz für bestimmte Marken / Produkte. Je höher und früher diese im Relevant Set verankert sind, umso geringer ist die Gefahr, dass diese von dem Kunden später wieder ausselektiert werden.

Recherchephase:
Der Kunde sucht nun, da sich das latent vorhandene Bedürfnis in einen konkreten Bedarf gewandelt hat, nach konkreten Anbietern und Produkten. Dabei arbeitet er die im Relevant Set verankerten Marken ab, fügt ggf. neue hinzu bzw. streicht andere. In dieser Phase sucht der Kunde Informationen, die seine Präferenzbildung untermauern – oder auch verändern können. Es sollte dem Kunden also möglichst einfach gemacht werden, relevante Informationen zu finden und zu verarbeiten. Hierzu zählen dezidierte Erläuterung der Nutzenstiftung, Produkteigenschaften, Preise, Kundenbewertungen und Referenzen, aber auch emotionale Botschaften.

Bewertung:
Der Kunde vergleicht nun die generierten Informationen und bildet eine klare Präferenz für ein bestimmtes Produkt / eine bestimmte Marke. In dieser Phase gilt es, dem Kunden Sicherheit zu geben und letzte Kaufhindernisse aus dem Weg zu räumen. Neben rein rationalen Argumenten spielen verstärkt auch Produkt- und Markenimagefaktoren eine Rolle. Je besser das Image, desto leichter lässt sich auch ein eventuell höherer Preis als der von anderen Produkten im Wettbewerbsumfelds legitimieren.

Kaufentscheid & Kaufabschluss:
Der Kaufentscheid wird nun tatsächlich gefällt. Eventuell können Rabatte oder besondere Zusatzleitungen den Kaufentscheid an dieser Stelle noch positiv beeinflussen. Der Kaufabschluss erfolgt online im Web-Shop oder auch z. B. im stationären Einzelhandel. Der Prozess des Online-Kaufabschlusses sollte möglichst einfach und irritationsfrei gestaltet sein, um Kaufabbrüche zu vermeiden (z. B. Angebot verschiedener Zahlungsoptionen, transparente Preisgestaltung, klare Lieferbedingungen / -kosten, Integration von Trust-Elementen wie Gütesiegeln und Kundenbewertungen etc.).

Kundenbindung & Kundenloyalität:
Der Kunde hat das Produkt erworben und sammelt nun Anwender- / Nutzererfahrungen im Umgang damit. Im Rahmen des After-Sales-Service ist es nun erforderlich, die Kundenbeziehung zu pflegen. Sollte der Kunde begründete Reklamationen haben, sollten diese schnell, unbürokratisch und kulant behandelt werden. Regelmäßige, personalisierte Kommunikation mit wertvollen Inhalten wie Tipps, Anleitungen oder Informationen über neue Leistungen, Produkte oder Komplementärprodukte sind ebenfalls effektive Maßnahmen zur Kundenbindung. Eventuell lohnt sich die Implementierung eines komplexen Kundenbindungsprogramms mit exklusivem Online-Kundenbereich oder Kundenclub sowie exklusiven Angeboten z. B. für Veranstaltungen etc.. Im besten Falle wird so Kundenloyalität erreicht, das heißt der Kunde entwickelt eine überaus starke Bindung zum Unternehmen, die so leicht nicht zu erschüttern ist. Er verzeiht Fehler, tätigt Wiederholungskäufe und wird sogar zum Markenbotschafter, der das Produkt / die Marke in seinen Sozialfeldern weiterempfiehlt und sogar gegen eventuelle Kritik argumentativ verteidigt.